Kirchenführer der katholischen Pfarrkirche ST. VITUS in Heidelberg/Handschuhsheim
Patrozinium St. Vitus, 15. Juni Erzbistum Freiburg i. Br.Orts- und Baugeschichte. Die Siedlung Handschuhsheim wird -
wie die meisten Orte an der Bergstraße - zuerst 765 im Codex Laureshamensis
genannt, dürfte aber in ihren Anfängen sicher bis ins 6. oder sogar ins 5.
Jahrhundert zurückgehen. Darauf deuten Bodenfunde hin, die im Gebiet südlich des
alten Ortskerns gemacht wurden. Handschuhsheim muß schon damals eine größere
Siedlung gewesen sein, von der auch das benachbarte Neuenheim abhängig war.
Beide Orte sind inzwischen in die Stadt Heidelberg eingemeindet worden (1891
bzw. 1903). Das Kloster Lorsch war in Handschuhsheim reich begütert. Eine
Kirche wird erstmals in den Jahren 774 und 778 erwähnt, sie stand schon an der
gleichen Stelle wie der Nachtolgebau und kam vielleicht mit einem Adelshof an
das Lorscher Kloster. Patron der Kirche war zunächst der Lorscher Kloster-
patron St. Nazarius. Die "Ortsrandlage" der Kirche - der Ortskern lag und liegt
nördlich von der Kirche - ist nur aus ihrer ursprünglichen Zugehörigkeit zu
einem Adelsgut als Kapelle ganz erklärlich, die Lage widerspricht an sich den an
der Bergstraße üblichen Gepflogenheiten. Südwestlich von der Kirche lag der
Lorscher Hof, der als zentraler Verwaltungssitz für alle Güter und Besitzungen
des Klosters im weiteren Umkreis zuständig war. Der Lorscher Besitzstand in
Handschuhsheim mehrte sich noch, als unter Abt Dietrich um das Jahr 870 das
Michaelskloster auf dem Heiligenberg errichtet wurde, dem zwei Jahrhunderte
später das kleinere Stephanskloster folgte. Auf den Kuppen des Heiligenberges
sind beide Klöster im Fundament noch vollständig erhalten, das Michaelskloster
teil- weise auch noch im aufgehenden Mauerwerk. Von der karolingischen Kirche
in Handschuhsheim haben sich keine sicht- baren Reste erhalten. Vorromanische
Fragmente (quadratischer Chorab- schluß) wurden 1961 bei Grabungen im Erdboden
festgestellt. Unter Abt Arnold von Lorsch (1053-1057) wurde die Kirche neu
errichtet. Teile dieses romanischen Baues sind noch heute erkennbar (im Grundriß
netz- förmig schraffiert): in der westlichen Giebelwand ein Teil des alten
Mauer- werks mit einer (nach außen durch den Turm verdeckten) Doppelarkade, der
Triumphbogen am gotischen Chor und die unteren Partien der anschließenden
Chormauern gehören ebenso in diese Zeit wie die - heute nicht mehr allgemein
zugängliche - St.Nikolaus-Kapelle (alte Sakristei) mit dem darunterliegenden
Karner (Beinhaus) und Teile des quadratischen Turmes an der Südwestecke der
Kirche, darunter auch ein Fenster mit Mittelsäule, deren Würfelkapitell die
Inschrift IOHANNES PISTOR MISCHENHEIM trägt, vielleicht eine Meisterinschrift?
Um 1200 wurde das Langhaus zur dreischiffigen Basilika
erweitert; aus dieser Zeit stammen die noch erhaltenen Rundpfeiler gegenüber dem
heutigen Haupteingang der Kirche (später überarbeitet). Die entsprechenden
nördlichen Pfeiler fielen dem gotischen Umbau zum Opfer. Die Aufgabe des
Nazariuspatroziniums und seine Ablösung durch die Heiligen St.Vitus und (heute
ganz zurückgetreten) St. Georg ist vermutlich eine Folge der gewandelten
Besitzverhältnisse: im 12. Jh. war die Macht des Klosters Lorsch bereits
gebrochen,1232 erfolgte die definitive Übereignung an das Mainzer Erzbistum;
1267 ist erstmals der heilige Vitus als Patron in der Gemarkung
genannt.
Ein durchgreifender Umbau 1483
- dieses Datum ist durch einen Schlußstein mit dem Wappen der Herren von
Handschuhsheim bezeugt, der heute über dem östlichen Nebeneingang der Kirche
eingemauert ist - ergab sich wohl auch aus der Notwendigkeit, die in den Kriegen
Friedrichs des Siegreichen stark mitgenommene Kirche wieder für den Gottesdienst
herzurichten. Bei diesem Umbau wurde das nördliche Seitenschiff niedergelegt
und statt- dessen eine Empore für die Nonnen des benachbarten, um 1470 durch
Diether von Handschuhsheim gestifteten Augustinerinnenklosters eingerichtet.
Das Kloster ist erstmals 1475 urkundlich erwähnt, es lag westlich von
der Kirche, deren Empore durch einen eigenen Zugang zu erreichen war. Noch ist
in der westlichen Außenwand des alten Teils der Kirche zu ebener Erde die
ursprüngliche Eingangstür sichtbar und über ihr der zugesetzte Eingang mit den
Sturzkonsolen, der einst auf die Empore führte. Ebenfalls aus dem Jahr 1483
stammt das Chorpolygon mit 5/8-Schluß, zwei- teiligen Maßwerkfenstern und
Netzrippengewölbe. Zwei Schlußsteine tragen die Wappen des Mainzer Erzbischofs
Uriel von Gemmingen und das sechsspeichige Rad des Mainzer Domkapitels, die von
Lorsch den Kirchensatz in der Gemarkung Handschuhsheim übernommen hatten.
Mit dem Bergsträsser Rezeß (1650) ging Handschuhsheim endgültig an die
Pfalz über, die Kirche wurde paritätisch; der Chor blieb den Katholiken
vorbehal- ten, im Schiff hielten die Reformierten ihren Gottesdienst. 1905
wurde das Simultaneum abgelöst und die Kirche nun ungeteilt den Katho- liken
übergeben. 1933/34 fand nach den Plänen des Architekten Franz Kuhn im Zuge
einer Erweiterung eine Umorientierung statt; der gotische Chor wurde zur
Nebenkapelle (Taufkapelle), und nach Norden hin wurde die Kirche durch einen
Anbau vergrößert, so daß ein flachgedeckter Saal mit seitenschiffähnlichen
Anbauten entstand (siehe Grundriß).
1 Chor 2 Sakristei 3 Alte Sakristei 4 Abstellraum 5
Kapelle 6 Turm E Empore A Ambo T Tabernakel TF
Taufe
(Grundriss der Kirche nach dem Umbau im Jahre
1933)
Raum
und Gliederung. Der Hauptzugang erfolgt nach diesem Umbau von Süden,
der Besucher des Gotteshauses steht zunächst im alten Kirchenraum, unmittelbar
vor den wuchtigen Säulen des romanischen Baues. Rechts fällt der Blick zum
romanischen Triumphbogen, der in den gotischen Chor leitet, links engt der
teilweise in den Bau eingezogene Turm - der durch ihn hindurchführende
Seiteneingang wurde 1933 neu eingebrochen, ursprünglich gab es im Erdgeschoß
keinen Turmzugang - den Raum ein, der in seiner Breite - der usprüngl. Länge des
Kirchenschiffes! - nur 14,50 m mißt. Erst beim Vorschreiten in den Raum fallen
Licht und Weite ein, zunächst durch die sechs farbig verglasten Fenster im alten
Chor, dann durch die Fenster des modernen Erweiterungsbaues. Die gesamte Länge
des Kirchenschiffs beträgt jetzt 30 m (19 m alter Baubestand,11 m Anbau), die
größte Breiten- ausdehnung in Höhe der Anbauten 27 m (15 m alter Baubestand,
5,50 m linkes "Seitenschiff", 6,50 m rechtes "Seitenschiff"; die verschiedene
Breite ergibt sich daraus, daß links die Westwand des gotischen Baues in die
Erweiterung einbezogen werden konnte, rechts setzt die Erweiterungsmauer
unmittelbar an der Chorwand an). Der neue Chor ist gegenüber dieser
Breitenausdehnung wiederum auf 14,50 m (wie die Breite am Kircheneingang)
eingezogen, so daß die Proportionen des alten Baues in dem Erweiterungsbau
wiederaufgenommen sind und insgesamt einen Raum schatfen, der zu einer
glücklichen Synthese zwischen Altem und Neuem geworden ist.
Innenansicht, Blick vom alten Chor auf
Hauptschiff
Ausstattung. Aus dem
romanischen Bau der Vituskirche blieb außer einigen Grabdenkmälern (s. unten)
nur der große F r e s k e n z y k I u s er- halten, der die Ostwand und einen
Teil der Westwand bis zum Turm bedeckt (1911 freigelegt, restauriert). Die
Malereien stammen aus der Zeit nach 1400. Sie stellen in zwei Zonen übereinander
die Lebens- und Leidensgeschichte Christi dar, beginnend mit der Verkündigung an
Maria bis zur Grablegung Christi und zum Jüngsten Gericht (Westwand).
Fenstereinbrüche in der Zeit des gotischen Umbaus haben die Malereien teilweise
stark zerstört. Auf den Leibungen der zugesetzten romanischen Fenster der
Südwand wurden 1961 gut erhaltene Wandmalereien von hoher Qualität freigelegt
(1. Hälfte 15. Jh.). Von links nach rechts: Wendelin und Jakobus, Odilia und
Apollonia.
(Wendelin und Apollonia. Fresken in den Fensterleibungen der
Suedwand)
Im alten Chor ist links vom Altar in der Wand eine
barocke Sakraments- nische mit schmiedeeisernem Gitterverschluß eingelassen.
Alle anderen Ausstattungsstücke - die meisten aus der Barockzeit und ohne
künstlerischen Wert - sind im Zuge der Umbauten zugunsten zeitgemäßer Stücke
entfernt worden.
Bei der durchgreifenden R e n o v i e r u n g der Kirche
in den Jahren 1960/ 1972 wurde die Ausstattung entsprechend den neuen
liturgischen Ge- gebenheiten erneuert und konsequent aufeinander abgestimmt
(Erzbi- schöflíches Bauamt Heidelberg; Architekt Heinrich Eisenhauer, beraten
von Stadtpfarrer Walter Berthold). Im alten Chor wurden Altar und Tauf- stein
neu geschaffen. Altarkreuz, Leuchter und Taufsteindeckel aus Bron- zeguß sind
Werke des Freiburger Bildhauers K a r I R i ß I e r in Anleh- nung an
frühgotische Formen (1960). Die Griffe des Taufsteindeckels als trìnkende
Hirsche gestaltet; damit korrespondierend die um das Taufstein- becken
umlaufende Schrift: "Wie der Hirsch verlangt nach der Wasser- quelle, so
verlangt meine Seele, o Gott, nach dir" (Ps. 41,2).
Die
Fenster des alten Chors wurden 1964 nach Entwürfen von
Valentin Feuerstein aus Neckarsteinach neu geschaffen. Die
Themen sind dem Alten und Neuen Testament entnommen. Von links nach
rechts:
1. Fenster
Buch Genesis und Exodus (von unten nach oben): Moses mit den Gesetzestafeln,
Osterlamm (Ex. 12,1 ff.), Melchisedechs Opfer, Abraham und die drei Fremden
(Gen.18,1 ff.), Einzug in das gelobte Land, Moses vor dem brennenden Dorn-
busch, Abraham opfert Isaak.
2. Fenster Propheten und Könige (von
unten): Rechts Elias, Elias und die Witwe von Sarepta (1. Kön.17) Elias und die
Baalspriester (1. Kön.18), Elias und die Engel (1. Kön.19), Elias im feurigen
Wagen (2. Kön. 2). Links Davids Sal- bung (1. Sam.1612), David und Goliath (1.
Sam.17,40 ff.), David als Büßer (2. Sam.12,16), David als königlicher Sänger (1.
Sam.16,23), der 7-armige Leuchter im Tempel (Exod. 25,31).
3. Fenster
Leben Jesu (von oben nach unten): Verkündigung Heimsuchung, Anbetung der 3
Könige, Jesu Darstellung im Tempel, T,aufe im Jordan, Jesus predigt und heilt,
Auferwekkung des Lazarus.
4. Fenster Jesu Tod und Auferstehung (von
unten nach oben): Abendmahl, Gefangennahme, Jesus vor Pontius Pilatus,
Kreuzigung, Kreuzabnahme, Grablegung Engel am leeren Grab.
5. Fenster
Apokalypse (von oben nach unten) : Anbetung des Lammes, die 24 Ältesten vor
dem Thron (Apoc. 5,5 ff), das apokalyptische Weib mit der Sonne umkleidet den
Drachen zu Füßen, der vom Erzengel Michael besiegt wird (Apoc.12,1 ff.). 6.
Fenster Apostelgeschichte (von oben nach unten): Pfingstwunder Weihe des
Stephanus zum Diakon, Martyrium des Stephanus, Petrus im ,Gefängnis Martyrium
des Petrus, Paulus vor Damaskus, Martyrium des Paulus. Die Fenster sind in ihrer
starken Farbigkeit mittelalterlichen Glasmalereien ähnlich, mit denen sie auch
die Vielfalt und Anschaulichkeit der Szenerie gemeinsam haben.
Der jetzige
Chorraum der Kirche wurde 1970/72 umgestaltet. Der neue Altar
steht frei im Raum, die Messe wird zum Volk hin gefeiert. Die stärkere
Verbindung zwischen Priester und Gemeinde wurde noch dadurch betont, daß der
Altar um einige Stufen nach unten versetzt und die trennende Kommunionbank
völlig entfernt wurde.
Altar, Ambo und Tabernakelsäule sind aus
Kirchheimer Muschelkalk gehauen, ebenso die Sedilien. Die Formen sind sehr
massiv, schlicht aus dem Block heraus entwickelt und direkt im Steinbruch
gearbeitet. Altar, Tabernakel und Ambo stehen gleichgewichtig in einer Ebene,
sie betonen damit die Schwerpunkte des liturgischen Geschehens: Eucharistiefeier
und Wortver- kündigung.
Das Pult des Ambos, der Tabernakel und die
Leuchter sind aus Bronze gegossen, die Tabernakeltür durch ein abstraktes Relief
betont. Das Standkreuz im Altarraum schließt sich in der äußeren Form an
romanische Vorbilder an (Christus als der Auferstandene, der Lebendige). Es wird
auch als Vortragekreuz für Prozessionen benutzt (Bronzetreibarbeit, innen
teilweise hohl). Alle Werke im Chorraum sind wiederum Schöpfungen von Karl
Rißler, Freiburg. Statt des monumentalen Kreuzes, das bis zirr Renovierung über
dem Altar hing, wurde von Inge Heintze-Kress(Kaufbeuren) ein Wandteppich
geschaffen, der in seiner Größe (7,40 x 2,80 m) und Farbigkeit einen starken
Akzent setzt.
Die Bilder des Teppichs haben die Offenbarung Johannis
(Apoc. 4,3 ff. und 4,11) zum Thema: "Da stand ein Thron im Himmel, und auf dem
Thron saß einer; der auf ihm saß, glich einem Jaspis- und Sardisstein . . .
Sieben Fackeln brannten vor dem Thron." Der Thron und die sieben Fackeln
sind in den oberen zwei Dritteln des Teppichs dargestellt. Im unteren Drittel
ist die Erde in ihrer ganzen Vielfalt zu sehen (darum die Fülle der Farben), von
der es Apoc. 4,11 heißt: "Denn du hast das All geschaffen." In der Mitte der
Erde erhebt sich als Symbol der Anbetung oder des ,sursum corda' und zugleich
der eschatologischen Erwartung der ganzen Schöpfung so etwas wie eine blühende
Blume oder eine flammende Kerze.
Die Farben des Teppichs (Wolle u. Seide
auf Leinen gestickt) sind abgestimmt auf die Fresken der Südwand gegenüber und
sind getönt in Grau, Blau, Grün, Gelb und gedämpftem Rot. - Der K r e u z w e g
im linken Seitenschiff des Erweiterungsbaues ist wiederum ein Werk von Karl
Rißler (1960/61): Bronzeguß in Flachrelief, mit etwas Abstand vor den hellen
Putzgrund der Wand gesetzt und in dem sehr eindrucksvollen bewegten Auf und Ab
durch die Rundfenster des Seitenschiffs mitbedingt. - In den Seitenschiffen je
zwei N e b e n a l t ä r e, rechts Konrad von Parzham und Joseph, letzterer mit
Statue von Professor E m i I S u t o r (Karlsruhe), links Muttergottes und
Vitus, ebenfalls mit Statue von E. Sutor.
Im linken Seitenschiff kleine
barocke Madonna an einem Pfeiler, links vom Haupteingang an der Turmwand
Antonius-Statue von Sutor.
Grabdenkmäler, Grabsteine.
Die St. Vitus-Kirche war Grablege der Herrenvon Handschuhsheim bis
zu deren Aussterben im Jahre 1600. Zahlreiche Grabsteine lagen bis zum Umbau der
Kirche 1933 im Fußboden, andere kamen noch 1970 beim Einbau einer neuen
Kirchenheizung unter dem heutigen Fußbodenniveau im alten Schiff zum
Vorschein. Vier große Doppelgrabmäler zählen zu den hervorragenden Werken der
Plastik im Neckartal.
Grabmal
Diether von Handschuhsheim - Margareth von Frankenstein.
Rundgang. An der Ostwand rechts vom
Triumphbogen Epi taph für Oberst Strupp von Gelnhausen (+1721), im alten Chor an
der Triumphbogenwand rechts Epitaph seiner Tochter Charlotte Luise Strupp von
Gelnhausen (+1713). Anschließend prunkvolles Grabmal für Heinrich von
Handschuhsheim u. Amale Beusser von Ingelheim, entstanden um 1600; die
Inschrifttafeln unten nicht ausgeführt, da A. B. v. I. zu diesem Zeitpunkt noch
am Leben war.
Zur Linken
dann ein sehr reizvolles Werk vom "Meister der Heidelberger Kniegrabsteine"
Doppelgrabmal für Diether von Handschuhsheim (+1487) und seine Gemahlin
Margarete von Frankenstein (+ 1483), daneben kleines Epitaph für den Pfarrer J.
A. Schnurbusch (+ 1743).
Gegenüber links neben dem Altar Wappengrabstein
für Margarete Knebel von Katzenellenbogen (+ 1587), daneben an der Nordwand des
alten Chors korrespondierend mit dem gegenüberstehenden Grabmal der Eltern das
Grabdenkmal für Junker Hans von Handschuhsheim (t 1600) und seine Schwester
Barbara (t 1599), die Letzten des Geschlechts. Die beiden Grabmäler werden
Jakob Müller in Heilbronn zugeschrieben. Im rechten Seitenschiff des Anbaus
steht das hervorragendste Werk der Spätgotik in Heidelberg, ein Doppelgrabmal
für Hans von Ingelheim (+ 1517) und Margareth von Handschuhsheim (+ 1509).Die
Figuren sind fast lebensgroß und vollplastisch wiedergegeben, die Inschrift
läuft als wellig bewegtes Band auf den Pilastern und im Halbkreisbogen um die
Gruppe herum. Das Denkmal ist 1519 datiert und signiert M LSP V H; eine
schlüssige Zuweisung ist bisher nicht gelungen die Zusammenhänge mit Werken des
gleichen Meisters in Oppenheim (Katharinenkirche) sind jedoch eindeutig.
Rechts und links von diesem Denkmal stehen die 1970 neu
aufgefundenen Grabsteine des Ehepaares. Im linken Seitenschiff der neu
aufgefundene Grabstein für Heinrich (II.) von Handschuhsheim (+ 1376) und eine
schlichte Grabplatte für Anna von Handschuhsheim (+ 1572).
An der
Außenfront der Kirche sind an der Südwand eine Reihe weiterer Grab- platten
aufgestellt, darunter ein Stein der Morhard von Handschuhsheim (1346), zwei
Wasen von Handschuhsheim (1495 und 1501), fünf Handschuhsheim
(1362,1363,1529,1564 und 1600) und mehrere Priestergrabsteine.
(Kreuzgang im
oestlichen
Seitenschiff)
Äußeres. Die
Außenansicht der Kirche von Südwesten her inmitten des alten ummauerten
Friedhofes mit barocken Grabkreuzen hat noch überraschend viel von dem mittel-
alterlichen Bild bewahrt. Die späteren Anbauten sind von hier aus kaum
sichtbar, beherrschend ist das hohe, wuchtige Dach, links überragt vom Turm, in
dem eine Längsfuge deutlich den romanischen vom gotischen Baubestand abhebt. Die
Höhe von 24,90 m ist durch drei Hohlkehlengesimse unterbrochen, oben romanische
Biforien und gotische Spitzbogenfenster. Im alten Teil der Westwand die schon
erwähnten Zugangspforten vermauert. An der Südseite barocke Sonnenuhr, an der
Außenwand der Nikolauskapelle noch zwei unbeholfene Fratzensteine aus
romanischer Zeit. An der Ostseite der Nikolauskapelle der alte, halb
verschüttete Eingang zum Karner. Das Chorpolygon von außen durch
Strebepfeiler gegliedert, die in drei Abtreppungen zum Hauptgesims emporführen.
Der barocke Dachreiter des Chores heute entfernt. Die Nordseite der Kirche hat
durch die modernen Erweiterungen zahlreiche Änderungen
erfahren.
Bedeutung. Die St. Vitus-Kirche ist in ihrem Kern das
älteste Gotteshaus der Stadt Heidelberg. Die gelungene Synthese alter und neuer
Bauteile und die konsequente und doch behutsame Renovierung des letzten
Jahr-zehnts haben einen Bau geschaffen, dessen Raum die Geschichte von
Jahrhunderten widerspiegelt und zugleich den Forderungen kirch- lichen
Gemeindelebens eindrucksvoll und überzeugend gerecht wird.
Dr. Renate
Neumüllers-Klauser i>
Schrifttum: E.Blaum, Die Kirche in H. und
ihre Denkmäler, in: Neues Archiv für die Geschichte der Stadt Heidelberg 7
(1907) 1-31. - A. v. 0 e c h e l h ä u s e r, Die Kunstdenkmäler des
Großherzogtums Baden VIII 2 (Kreis Heidelberg), Tübingen 1913,
S.30-53.
(Schlußstein mit
Wappen Handschuhsheim vom gotischen Umbau der Kirche.)