Das alte Friedhofsgelände bei der Vituskirche in HD-HandschuhsheimDokumentation und Appell zur Erhaltung der GrabsteineDr. Peter SinnBis 1843 lag der Handschuhsheimer Friedhof beiderseits der Vituskirche, die damals noch nicht erweitert und von beiden Konfessionen genutzt war. Seit der Verlegung blieben auf dem südlichen, ehemals katholischen Teil einige besondere Grabsteine erhalten, die heute, in einem kleinen Park mit schönem Baumbestand, trotz der Kirchgänger und anderer Passanten eher ein Schattendasein führen. Auch in der recht reichhaltigen Literatur über Handschuhsheim und die Vituskirche findet die Mehrzahl der Steine samt ihrer Inschriften keine Erwähnung, was wohl mit der Vielzahl an ungleich prächtigeren, gut beschriebenen Adelsgrabmälern in der Kirche zusammenhängt. FRANZ THEODOR BRUNNER DECAN UND PFARRER, GEB, DEN 9TEN NOVEMBER 1759 GEST. DEN 3TEN FEB. 1828 - WAR 40 JAHRE SEINER GEMEINDE EIN WÜRDIGER PRIESTER TREUER HIRT UND WOHLTHAETHIGER VATER. SEGEN RUHT AUF SEINEM ANDENKEN Auf der anderen Seite sind die Embleme der Religion Angebracht und unter denselben folgende Worte zu lesen : COLLAUDABUNT MULTI SAPIENTIAM EJUS ET USQUE IN SOECULUM NON DELEBITUR, NON RECEDET MEMORIA EJUS ECCLES. 39, 12-13. (Viele werden seine Weisheit preisen, und bis in Ewigkeit wird sie nicht vergehen noch das Gedenken an ihn aufhören Jesus Sirach, 12-13) HIER RUHET IN GOTT
CARL FRANZ. JOSEPH ROTTMANN GROSHERZ. BAD. GEISTL. WAISENHAUSSCHAFFNER GEBOREN AM 6. SEPT. 1755 GESTORBEN AM 29. OKT. 1822 ER SCHAUET, WAS ER GLAUBTE. IOB XIX, 27 Auf den drei anderen Seiten wird, noch einwandfrei lesbar, später verstorbenen Mitgliedern der Familie gedacht. Die übrigen drei Grabstätten "mit kleinen barocken Kreuzen" hat OECHELHAEUSER (1913, S. 52) in einer Skizze zusammengefaßt. Diese Zeichnung läßt neben den Abmessungen gut die stilistischen Merkmale und auch das Alter der schönen Steine erkennen, wobei das Alter für das rechte Exemplar auf 1746 korrigiert werden mußte. Das linke Grabkreuz (Nr. 3 auf dem eigenen Plan) wirkt mit seinen kantigen, wuchtigen Formen vergleichsweise archaisch, aber dennoch edel. Von der Beschriftung ist heute jedoch nur das INRI auf der Vorderseite erhalten. Die Rückseite, die offensichtlich einmal die Jahreszahl und sicher auch den Namen des bzw. der Bestatteten trug, ist total abgewittert, da die senkrecht angeordneten dünnen Schichten des übrigens bei allen Gräbern verwendeten roten Bundsandsteins vor allem gegenüber dem Spaltenfrost sehr anfällig sind. Trotzdem ist bei den beiden übrigen Grabkreuzen noch das Wesentliche der Inschriften erhalten, wenn auch oft nur mit Mühe zu entziffern. Das bei OECHELHAEUSER mittlere Kreuz trägt sogar auf Vorder- und Rückseite ganz verschiedene Namen und hatte demnach zwei Familien als Besitzer. Es ist anzunehmen, daß bei der Enge des Friedhofs der Stein nach beiden Seiten genutzt wurde, zu mal die hier Bestatteten im gleichen Jahre verstorben sind. Auf der Südseite sehen und lesen wir: ANNO 1716 DEN I. NOVE[MBER IST IN]
GOTT SELICH ENDSCHL[AFEN DER] WOHL ACHT BARE JOHANN FRIEDRICH GROH BVERGER VON NECK- ERGEMIND WELCHER IM ANO [1636] AUF DIE WELTGEBOHREN IST ALS [?] EINES ALTERS 80 JAHR GOTT [GEBE?] IHM EINE FRÖLICHE AUFERSTEHUNG WELCHER. . . Wahrscheinlich handelt es sich um den einzigen bei M. JORDAN (1988, S. 148) genannten GROH, der dort zwar Konrad mit zweitem Namen heißt und dessen Lebensdaten um ein Jahr differieren, der aber ebenfalls das damals seltene Alter von 80 Jahren erreicht hat. Wenn man offenbar sonst nichts über den Handschuhsheimer aus Neckargemünd weiß, so sei hier erwähnt, daß er als Bub noch die Schrecknisse des 30jährigen Krieges und als Mann über 50 dann die Greuel der Melac- Truppen miterlebt hat - so wie die heute über 80jährigen die zwei großen Kriege unseres Jahrhunderts erleiden mußten. †
JHS ALHIER LIGT BEGRABEN DER WOHL EHRE[NWERTE?] UND ACHT BAHRE HERR JOHANN FRIDRICH KELLER SCHVLT HEIS UND CENTSCHÖPFF ALLHIER ZU HANDSCHUGSHEIM WELCHER IN ANNO 1666 D. 16. DECEMBER AUS. . . . . . . BOREN UND IN . . . . . . . . DEN. . . . . . . . . . . . . . . . OBERI . . . . . . . . . . . . . . . . . . .D . . . . Johann Friedrich Keller war nach DERWEIN und JORDAN von 1704 bis 1716 Schultheiß und gleichzeitig Centschöffe, wie die Inschrift vermerkt. Er war also eine wichtige Handschuhsheimer Persönlichkeit und lebte vom 16. 12. 1666 bis zum 13. 10. 1716. Das genaue Sterbedatum, das auf dem Stein ganz der Verwitterung zum Opfer fiel, ist uns archivalisch überliefert, ebenso daß der Name Keller erstmals 1450 in Handschuhsheim registriert und die Familie nach knapp 400 Jahren verzogen ist. (Der bittere Tod trennt die Liebe nicht) QVISQVIS HANC VIAM LEGIS, STA ET LEGE: HIC UNA SUB CRUCE IACENT DUO IOANNES CHRISTIANVS WALCK, HVIATIS LOCI QVONDAM PRAETOR, CVM MARIA EVA CONIVGE [SUA.] ANNIS 60 ILLE, 50 ILLA VIVE[NTIS] A.1746(DVE?]....... [DEVS] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (Wer immer diesen Weg nimmt, bleibe stehen und lies: Hier unter dem einen Kreuz liegen zwei Johann Christian Walck, ehemals Schultheiß dieses Ortes, mit Maria Eva, seiner Gemahlin. Jener mit 60, jene mit 50 Lebensjahren im Jahre 1746 [beide?] [Gott] . . . . . .) Bei der Ergänzung und Erläuterung käme man ohne die Arbeiten des in die Familie Walk eingeheirateten Handschuhsheimer Arztes und Heimatforschers MARTIN JORDAN nicht weiter. Außer auf das bereits zitierte Ortssippenbuch kann man auf eine Stammtafel mit Vorspann über die Walks im Handschuhsheimer Jahrbuch 1985 (S. 41-45) zurückgreifen. Erst dort erfährt man die Daten, in die sich die auf dem Grabstein erhaltenen Zahlen einpassen lassen. Stammtafel der Familie Walck (Auszug) Das Schultheißenamt, das sein Vater Johann (Hans) Peter Walk 14 Jahre in schwierigster Nachkriegszeit, nämlich 1690-1704, innehatte und das dann Friedrich Keller übernahm, konnte Hans Christian als späterer Nachfolger nur ganz kurz ausüben. Er starb wenige Wochen nach seiner Ernennung. Dieser jähe Tod und das nur wenige Monate davor liegende Sterbedatum seiner doch relativ jungen Frau erklären vielleicht die recht persönlich, nicht nur christlich anmutende Inschrift direkt in der Kreuzesmitte. Literatur: DERWEIN, H. (1933): Handschuhsheim und seine Geschichte. JORDAN, M. (1985): Die Familie Walk in Handschuhsheim. ( In: Jahrbuch zur Hendsemer Kerwe, S. 41-45. JORDAN M. (1988): Die Handschuhsheimer vor 1900 Ortssippenbuch Heidelberg-Handschuhsheim. - Verlag Guderjahn MÜHLING, E.J.J. (1840): Historische und topographische Denkwürdigkeiten von Handschuhsheim; ein Beitrag zu dessen Geschichte von seiner Erbauung an bis auf unsere Tage (Nachdruck 1982 d. Statteilvereins) NEUMÜLLERS-KLAUSER R. (1970: Die Inschriften der Stadt und des Landkreises Heidelberg (bis 1650) - Verlag Druckenmüller Stuttgart OECHELHAEUSER, A. v. (1913): Die Kunstdenkmäler des Amtsbezirks Heidelberg. Herzlichen Dank an Frau Prof. Dr. RENATE NEUMÜLLERS-KLAUSER, die als hochrangige Expertin sich besonders liebevoll den ihr von zu Hause aus wohlbekannten Grabsteinen zuwandte und spontan vor Ort einige wichtige Details zu entziffern half. EUGEN HOLL stand wiederum selbstlos und hilfsbereit mit Rat und Tat zur Seite! LAGESKIZZE DES ALTEN FRIEDHOFSGELÄNDES BEI DER ST. VITUSKIRCHE GRABSTEINE 1 Pfr. BRUNNER 2 ROTTMANN 3 (unbekannt) 4 GROH/KELLER 5 WALK 6a-c Mittelalterl. Grabplatten (urspro) In der Kirche; vgl. dazu NEUMÜLLERS-KLAUSERS 1970, S. 32 u. 37.5) 7 Gefallenen-Kreuz |