St. Vitus in Handschuhsheim
Ein Beitrag zur Baugeschichte

Die erste Kirche in Handschuhsheim entstand schon in karolingischer Zeit, vermutlich um das Jahr 760, und wurde 774 zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Sie war dem heiligen Nazarius geweiht. Diese erste Kirche am Platz war schon ein Steinbau gewesen. Im Triumphbogen und in der östlichen Turmmauer sind noch einige Mauerreste vorhanden.
Eine zweite Bauperiode begann unter Abt Arnold von Lorsch zwischen 1053 und 1057. Es entstand ein frühromanischer Neubau. Aus dieser Zeit stammt auch ein Teil der Westwand des südlichen Seitenschiffs, die ehemalige Nikolauskapelle mit der Krypta südlich, vom Chor und die Giebelwand über dem runden Chorbogen. Etwa im Jahre 1200 wurde das Langhaus zu einer dreischiffigen Basilika erweitert, die auf Rundpfeilern mit Würfelkapitellen ruhte. Der dritte große Umbau erfolgte in spätgotischer Zeit: 1483 wurde die Choranlage mit der noch vorhandenen Arkade des südlichen Seitenschiffs errichtet. Gleichzeitig entstand eine Nonnenempore, die heute nicht mehr vorhanden ist, und es wurde der dreiseitig geschlossene Chor ausgebaut. Dessen Maßwerk und Rippengewölbe wurde um 1629 erneuert.
Bis zum Jahr 1907 war St. Vitus eine Simultankirche, die den evangelischen und katholischen Christen gleichermaßen zur Verfügung stand. Mit dem Bau der neuen evangelischen Friedenskirche fiel dann St. Vitus an die katholische Gemeinde. Im Jahre 1933 wurde sie durch den Heidelberger Architekten Kuhn erweitert. Er baute einen neuen Kirchenteil etwa 15 Meter nach Norden an. Damit ergab sich eine räumliche Umorientierung im Innern. Die alte Chorapsis ist seitdem eine Nebenkapelle.
Unter der Leitung des Erzbischöflichen Bauamtes in Heidelberg wurde die Kirche im Jahre 1980 gründlich renoviert. Dabei wurde der Chor von 1483 wieder in seinen originalen Zustand versetzt. Bei den Freilegungsarbeiten war nämlich festgestellt worden, daß der gesamte Wand- und Deckenputz noch aus der spätgotischen Bauzeit stammt. Seither ist die farbliche Ausgestaltung im Innern des Raumes dreimal grundlegend geändert worden: Nach der originalen Ausmalung wurde 1600 eine Umarbeitung im Stil der Renaissance vorgenommen. Ein dritte Farbvariante entstand 1850.
Die Fenster wurden vom Kunstmaler Peter Valentin Feuerstein aus Neckarsteinach gestaltet. Unter der Leitung des Restaurators Eugen Fuchs aus Horrenberg wurde der spätgotische Chor verantwortungsbewußt in seinen ursprünglichen Zustand versetzt. Die in der alten Raumachse stehende Orgel wurde als mechanische Schleifladenorgel von der Firma Vleugels in Hardheim-Rüdental gebaut. Die Disposition und die Planung besorgte der Benediktinerpater Albert Hohn. Im Neubauteil von 1933 wurde die Choranlage umgestaltet. Die Ausstattung des Altars und der liturgischen Geräte stammt vom Bildhauer Rissler aus Freiburg. Von der Originalausstattung des Innenraumes soll besonders das Grabmal der Margarete von Handschuhsheim (gest. 1500) und ihres' Gemahls Johann Von Ingelheim (gest. 1517) hervorgehoben werden. Im "Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler" von Georg Dehio heißt es dazu knapp: "Ein Denkmal exzeptionellen Ranges". Bei einem anderen Doppelgrabmal aus späterer Zeit hat sich eine Schattenrißmalerei, die um 1600 angefertit wurde, erhalten. Derlei ist in der Region außerordentlich selten.

Günther Sauer / Erzbischöfliches Bauamt Heidelberg

Aus der Festschrift zum 100jährigen Jubiläum des Kirchenchores